Alternative Erziehung

Die kleinen Jungen spielen wieder mit Panzer.

„Mutti, wenn ich groß bin, werde ich General,

schieße soviele Feinde ab wie möglich,

ob rot oder gelb ist mir egal!“

Wenn nur die Eltern jetzt kämen.

Der Kleine spielt mit der Katze zerstören.

„Hör damit auf“ ruft die Oma barsch.

Die Eltern sind auf dem Osterfriedensmarsch,

demonstrieren gegen Raketen und Krieg.

Zu Hause schreit der Kleine“Sieg!“

Die Katze ist tot.

Der Teppich färbt sich blutrot,

die Oma schäumt vor Wut.

Aber dem Kleinen geht es gut.

© Mathias Bleckmann 2004

Abgehauen

Sonnenschein.

Ich liege angelehnt an einen Baum,

weit weit weg von zu Hause- abgehaun.

Ich sehe in den wolkenverschmierten Himmel.

Die Sommersonne wärmt mein Gesicht

und irgendwo dahinten

wiehert ein Schimmel.

Gedanken wie ein Gedicht,

fortgetragen auf weißen Wolken.

Endlich Leben wie wir immer wollten.

Sonnenschein.

Wie schön könnte das Leben sein.

Ich liege angelehnt an einen Baum,

weit, weit weg von zu Hause

– abgehaun.

© Mathias Bleckmann 2004

Gegner

Niemals den Hauch einer Chance gehabt,

niemals wirklich fest an mich geglaubt,

niemals mir selbst eine Chance gegeben.

Niemand war strenger zu mir als ich.

Unter diesen Bedingungen

hätte auch der Beste verloren.

Hab mich ständig unter Druck gesetzt,

mir immer wieder vorgemacht,

alles getan zu haben.

Wer ist dieser Kerl,

der mir dauernd reinredet?

Was will der von mir,

etwa mein Bestes?

Jeden Annäherungsversuch von ihm

erfolgreich abgewehrt.

Sieht er nicht aus wie ich?

Und warum will er mich

dann nicht verstehen?

Er ißt das, was ich esse

und er sieht das, was ich sehe,

doch er sieht es immer anders.

Er scheint nicht von dieser Welt-

so unbestechlich hart und fehlerlos.

Sogar im Schlaf wacht er über mich.

Womit habe ich diesen Kerl verdient?

Er hat etwas unmenschliches in seinem Blick.

Ich fühle mich von ihm unterdrückt.

Woher nimmt er nur die Überzeugung,

daß alles was er macht, gut für mich wäre?

Er schickt mir Zweifel,

wenn ich Zuspruch brauche.

Er läßt mich Dinge tun,

die mir zuwider sind,

und alles in meinem Namen.

Oft habe ich darüber nachgedacht,

wie ich ihn am besten loswerden kann.

Heute Nacht ist es soweit.

Ein Mord ohne Leiche

und doch mit Folgen.

© Mathias Bleckmann 2004

Verkehrte Welt

Heiße Hunde,

die sich wurstwedelnd

über dem Feuer begrüßen.

Heringe,

die man in die Erde steckt.

Verkehrte Welt?

Verkehrte Welt!

Hamburger,

die Berliner essen.

Und Hessen,

die in Frankfurter beißen.

Weichmacher

auf die alle scharf sind.

Und Saubermacher,

die im Gulli mit ihnen

um die Wette strahlen.

Wer kennt sich da noch aus?

© Mathias Bleckmann 2004

Sterne

Ein Stern über Köln.

Bist Du das Engelchen?

Der Himmel in romantisches

Blau getaucht.

Ein Lichtermeer, das

rhythmisch aufflackert,

wie die Brandung die Wellen

an den Sandstrand einer

einsamen Insel trägt.

Eine endlose Straße,

die scheinbar ins Nichts führt,

behängt mit farbigem Licht,

das mich an Weihnachten erinnert.

Paarige gelbe Lichtpunkte,

die auf mich zurasen,

nur ab und zu gestoppt

von einem bissigen Rot.

Auf der anderen Seite

ein grelles Grün,

das die Lichtpunkte

von mir wegleitet,

zurück ins Nichts…

© Mathias Bleckmann 2004

Maßlosigkeit

Klischees, die ich längst tot glaubte,

tauchen aus der Tiefe auf

und stimmen nur zu oft.

Volle Milchtüten,

wie tote Negerkinder

weggeschmissen

zusammen mit

schlecht gewordenen Aufschnitt.

– Faules Fleisch,

das zum Himmel stinkt.

Nicht einmal achtlos weggeschmissen.

Jemand war nur zu satt,

um noch etwas zu essen.

Ich mach die Mülltonne auf.

Ein Kind sieht mich traurig an

mit seinen toten Olivenaugen.

Die dicke Kartoffelnase,

narbig und angefault.

Ein dicker, aufgedunsener Milchtütenbauch,

der über die knöchernden,

in Plastik geschweißten,

Hähnchenschenkel quillt.

Ein dunkler Bohnenmund,

wie zum Schrei geöffnet.

Ein stummer Schrei,

der aus tausend

hungrigen Mäulern schallt.

Solange soetwas noch vorkommt,

wird er stumm bleiben.

© Mathias Bleckmann 2004

Fernweh

Du sitzt am Fenster

reckst Deinen Körper

der warmen Sonne entgegen,

die zum ersten Mal wieder scheint.

Du betrachtest Deine weißen Arme

und denkst, wie braun sie noch

im letzten Sommer waren.

Du schließt die Augen

und lauschst dem Vogelgezwischer.

Du riechst das Sonnenöl,

kannst die Wärme deutlich spüren.

Und du weißt, es wird Frühling.

Aber Du weißt auch:

draußen ist es kalt.

Du freust Dich über die Sonne,

die Geborgenheit,

die sie ausstrahlt.

Du denkst nach über Dich,

Dein Leben

und die bevorstehende Reise.

Ein wichtiger Abschnitt

in Deinem Leben.

Vielleicht der Wichtigste.

Du glaubst, nur in der Sonne

existieren zu können

und ein Gefühl von Fernweh

packt dich.

Am liebsten würdest Du

jetzt schon losziehen

der Sonne entgegen,

aber es geht nicht:

draußen ist es kalt.

Aber nicht mehr lange…

Statt zu träumen,

holst Du Stift und Papier

und beginnst zu schreiben.

© Mathias Bleckmann 2004

Im Supermarkt der Welt

Was kann man nicht alles kaufen

im Supermarkt der Welt.

Du kannst Dich recht besaufen

und brauchst dafür nur Geld.

Wer fragt die Babys

wie alt sie sind,

wenn sie die Milch-

mit  der Kornflasche tauschen?

Was nützen Gesetzte,

wenn sich jetzt schon Kinder

an Drogen berauschen?

Wer zählt die Zigaretten,

die von Kinder geraucht werden

in Ketten ?

Sogar die Flüchtlinge

aus den falschen Paradiesen

kommen auf ihre Kosten.

Auf Liebe gibt es keine Garantie

-auch ein Ehering kann rosten.

© Mathias Bleckmann 2004