Worte

Chancenlos

Völlig losgelöst

im luftleeren Raum

schwebe ich

zwischen Tod und Teufel.

Desillusioniert

und aller Chancen beraubt.

Ein Vakuum

aufgebaut aus

Verzweiflung und Mitleid,

an dem ich

zu ersticken drohe.

Wieder einmal

das Ende der Welt

in 50 Millionen Jahren

vorausgesagt.

Wen kümmert es heute?

Aller Anfang ist schwer,

doch das Ende ist  mehr.

Vor Jahren bereits

ungesetzlich

kostenpflichtig entnabelt.

Unheilschwanger

trug mich meine Mutter aus.

Doch ich wollte nicht

auf diese Welt

und ich ahnte schon warum.

Nach 14 Tagen Warten

mit Gewalt zum Verlassen

meines Mikrokosmos

gezwungen,

drängte es mich

das Licht der Welt

zu erblicken.

Empfang mit Schlägen.

Schnell stellte ich fest,

daß ich, der ich nicht

von dieser Welt scheine

auch nicht auf diese gehöre.

Kann man diesen Irrtum

rückgängig machen?

© Mathias Bleckmann 2004

Eine Unebenheit im Holz

Ein Tag vor meinem 20. Geburtstag.

Ich sitze auf der Veranda,

hoch oben in den Rocky Mountains.

Von drinnen höre ich kichernde Zärtlichkeiten.

Es ist heiß.

Ein letzter Rest Wasser  aus meinem Glas

achtlos gegen das Holz gekippt.

Es entstehen Figuren.

Ein großer Punkt, von dem

zwei Tropfen ihre Streifen nach unten ziehen.

Parallel und doch uneben.

Eine schnelle Assoziation.

Der eine Streifen bin ich,

der andere muß eine Frau sein,

aber welche?

Der Tropfen trifft auf einen Kratzer im Holz,

ändert plötzlich die Richtung und vermengt sich

mit dem anderen Streifen,

mit mir.

Aus den zwei Streifen wird ein einziger.

Er verschwindet kurz aus meinem Blick.

Zwei Sekunden später wechselt erneut das Szenario.

Die Hitze läßt das Bild zerfließen.

Das Wasser löst sich auf.

Erst die zwei Parallelstreifen-

Erinnerung an die Vergangenheit

wird ausgelöscht durch erneute Vereinigung.

Nun löst sich auch der letzte Streifen auf

– das Leben ein Kommen und Gehen.

Zuletzt verschwindet der Ausgangspunkt

– Leben und Tod.

© Mathias Bleckmann 2004

Alternative Erziehung

Die kleinen Jungen spielen wieder mit Panzer.

„Mutti, wenn ich groß bin, werde ich General,

schieße soviele Feinde ab wie möglich,

ob rot oder gelb ist mir egal!“

Wenn nur die Eltern jetzt kämen.

Der Kleine spielt mit der Katze zerstören.

„Hör damit auf“ ruft die Oma barsch.

Die Eltern sind auf dem Osterfriedensmarsch,

demonstrieren gegen Raketen und Krieg.

Zu Hause schreit der Kleine“Sieg!“

Die Katze ist tot.

Der Teppich färbt sich blutrot,

die Oma schäumt vor Wut.

Aber dem Kleinen geht es gut.

© Mathias Bleckmann 2004

Abgehauen

Sonnenschein.

Ich liege angelehnt an einen Baum,

weit weit weg von zu Hause- abgehaun.

Ich sehe in den wolkenverschmierten Himmel.

Die Sommersonne wärmt mein Gesicht

und irgendwo dahinten

wiehert ein Schimmel.

Gedanken wie ein Gedicht,

fortgetragen auf weißen Wolken.

Endlich Leben wie wir immer wollten.

Sonnenschein.

Wie schön könnte das Leben sein.

Ich liege angelehnt an einen Baum,

weit, weit weg von zu Hause

– abgehaun.

© Mathias Bleckmann 2004

Gegner

Niemals den Hauch einer Chance gehabt,

niemals wirklich fest an mich geglaubt,

niemals mir selbst eine Chance gegeben.

Niemand war strenger zu mir als ich.

Unter diesen Bedingungen

hätte auch der Beste verloren.

Hab mich ständig unter Druck gesetzt,

mir immer wieder vorgemacht,

alles getan zu haben.

Wer ist dieser Kerl,

der mir dauernd reinredet?

Was will der von mir,

etwa mein Bestes?

Jeden Annäherungsversuch von ihm

erfolgreich abgewehrt.

Sieht er nicht aus wie ich?

Und warum will er mich

dann nicht verstehen?

Er ißt das, was ich esse

und er sieht das, was ich sehe,

doch er sieht es immer anders.

Er scheint nicht von dieser Welt-

so unbestechlich hart und fehlerlos.

Sogar im Schlaf wacht er über mich.

Womit habe ich diesen Kerl verdient?

Er hat etwas unmenschliches in seinem Blick.

Ich fühle mich von ihm unterdrückt.

Woher nimmt er nur die Überzeugung,

daß alles was er macht, gut für mich wäre?

Er schickt mir Zweifel,

wenn ich Zuspruch brauche.

Er läßt mich Dinge tun,

die mir zuwider sind,

und alles in meinem Namen.

Oft habe ich darüber nachgedacht,

wie ich ihn am besten loswerden kann.

Heute Nacht ist es soweit.

Ein Mord ohne Leiche

und doch mit Folgen.

© Mathias Bleckmann 2004

Verkehrte Welt

Heiße Hunde,

die sich wurstwedelnd

über dem Feuer begrüßen.

Heringe,

die man in die Erde steckt.

Verkehrte Welt?

Verkehrte Welt!

Hamburger,

die Berliner essen.

Und Hessen,

die in Frankfurter beißen.

Weichmacher

auf die alle scharf sind.

Und Saubermacher,

die im Gulli mit ihnen

um die Wette strahlen.

Wer kennt sich da noch aus?

© Mathias Bleckmann 2004

Sterne

Ein Stern über Köln.

Bist Du das Engelchen?

Der Himmel in romantisches

Blau getaucht.

Ein Lichtermeer, das

rhythmisch aufflackert,

wie die Brandung die Wellen

an den Sandstrand einer

einsamen Insel trägt.

Eine endlose Straße,

die scheinbar ins Nichts führt,

behängt mit farbigem Licht,

das mich an Weihnachten erinnert.

Paarige gelbe Lichtpunkte,

die auf mich zurasen,

nur ab und zu gestoppt

von einem bissigen Rot.

Auf der anderen Seite

ein grelles Grün,

das die Lichtpunkte

von mir wegleitet,

zurück ins Nichts…

© Mathias Bleckmann 2004

Maßlosigkeit

Klischees, die ich längst tot glaubte,

tauchen aus der Tiefe auf

und stimmen nur zu oft.

Volle Milchtüten,

wie tote Negerkinder

weggeschmissen

zusammen mit

schlecht gewordenen Aufschnitt.

– Faules Fleisch,

das zum Himmel stinkt.

Nicht einmal achtlos weggeschmissen.

Jemand war nur zu satt,

um noch etwas zu essen.

Ich mach die Mülltonne auf.

Ein Kind sieht mich traurig an

mit seinen toten Olivenaugen.

Die dicke Kartoffelnase,

narbig und angefault.

Ein dicker, aufgedunsener Milchtütenbauch,

der über die knöchernden,

in Plastik geschweißten,

Hähnchenschenkel quillt.

Ein dunkler Bohnenmund,

wie zum Schrei geöffnet.

Ein stummer Schrei,

der aus tausend

hungrigen Mäulern schallt.

Solange soetwas noch vorkommt,

wird er stumm bleiben.

© Mathias Bleckmann 2004