Vera war ganz anders als Sharleen. Sie war Kellenerin in „Robins Nest“. Vera hatte dunkelbraunes Haar und schöne dunkelbraune große Augen. Sie war eher ein schüchterner Typ, so wie ich damals. Wahrscheinlich passten wir deshalb so gut zusammen. Unsere Beziehung gründete auch auf einer Art „Seelenverwandschaft“.
Jeder wusste vom anderen, wie er sich verhalten würde. Wir waren uns sofort sympathisch. Sie war aus der Tschechoslowakei ausgewandert, genau wie Hugo, unser Chefkoch. Sie hatte einen süßen Akzent und einen Augenaufschlag, wie ich ihn nicht vergessen werde. Sie war immer rührend um mein Wohlbefinden besorgt und gab mir mütterliche Ratschläge.
Vera war seit eineinhalb Jahren verheiratet, was die Beziehung zu ihr nicht eben leicht machte. Wir alberten und flirteten so einige Zeit vor uns hin, bis es dann geschah. Die erstbeste Gelegenheit reichte uns, um uns wie zufällig zu berühren. Es war eine aufregende Zeit: Meine Hände suchten ihre Hände und fanden sie- meist blind. Und als keiner hinsah, küssten wir uns zärtlich. Es war so, als wäre es niemals anders gewesen. Wir kannten uns scheinbar schon eine Ewigkeit- wer weiß aus welchem Leben. Ich entdeckte eine Leidenschaft in ihrem Kuss, die mehr forderte als die Umstände uns geben wollten. Einerseits durfte keiner etwas merken, anderseits hätte ich am liebsten allen von unserer Liebe erzählt. Es blieb spannend.
Leider fuhr Vera jeden Abend mit Hugo nach Denver, wo sie ein kleines Häuschen mit ihrem Mann bewohnte. Jeder Tag mit Vera war ein Geschenk für mich. Morgens stand ich schneller auf und abends wusste ich, wofür ich lebte. Es war schön. Leider wussten wir beide, dass unsere Beziehung eine „Beziehung auf Zeit“ sein würde. Sie brachte mir zum Abschied ein kleines Geschenk mit einem Brief. Ich musste versprechen, ihn erst im Flugzeug auf dem Heimweg zu öffnen. Wir tauschten natürlich unsere Adressen aus.
Mit ihrem Geschenk dem Kugelschreiber in Goldauflage schrieb ich ihr Briefe, aber ich bekam nie Antwort auf meine Briefe. Schließlich beschloss ich sie mit meinen Briefen nicht weiter zu „diskreditieren“.