Die Pariser sind mit Abstand die rücksichtslosesten Autofahrer, die ich bis jetzt gesehen habe. Klischees bewahrheiten sich. Während des dicksten Straßenverkehrs, der rush‑hour, fährt da ein großer, weißer BMW in eine Parklücke, die ich nicht einmal mit einem Mini Cooper angesteuert hätte. Voila, eine artistische Leistung, die wohl vor allem der Parkplatznot entspringt, die in Paris herrscht. Hier gibt es keine Fahrbahnbegrenzungslinien wie bei uns, manchmal stehen drei Autos nebeneinander, oder aber vier und mehr. Für mich ist das ein chaotischer Verkehr, der aber trotz allem funktioniert. Jetzt gerade setzt ein Auto aus einer Parklücke so zurück, dass es gegen das Auto hinter ihm stößt bis es wackelt und scheppert. Der Fahrer kümmert sich überhaupt nicht darum und fährt fort als sei nichts gewesen. Schon verrückt diese Pariser.
Man setzt sich in ein Straßencafe und plaudert oder betrachtet einfach die vorübergehenden Leute. Die Augen der Männer sind ständig in Bewegung, aber wenn eine Frau vorübergeht scheinen sie versteinert zu sein. Ich muss an die steinerne Sphinx denken. Es regnet in Strömen, so dass ich meinen Wunsch nach Sehenswürdigkeiten erst einmal zurückstelle.
Bevor ich riskiere bis auf die Haut nass zu werden, weihe ich lieber mein Notizbuch mit den ersten Reisenotizen ein. Langsam beschlagen die Scheiben und das Beobachten fällt schwer. Was machen die Männeraugen? Sie schauen immer noch wie versteinert auf die regennasse Straße. Abgelenkt werde ich von neun jungen Franzosen, die scheinbar vor dem Regen geflüchtet sind. Sie haben sich an den Nebentisch gesetzt und schießen jetzt mit Papierkügelchen, die sie mit Druck durch ihre Strohhalme pusten.
Schon verrückt, bei Dauerregen und maximal 14 Grad laufen die Mädchen im Minirock herum, haben weiße Sachen und eine Daunenweste an. Mir scheint, dass sie ihre Kleidung nicht nach dem Wetter richten, sondern sich das Wetter gefälligst nach ihnen richten soll. Sie laufen in der Kleidung herum, die sie gerade zeigen wollen, ob sie zum Wetter passt, ist völlig zweitrangig. Ich bin noch nicht lange hier, aber mir scheint, die Pariser sind ein Volk von Narzissten und Spannern. Wobei die Frauen die Rolle der Narzissten übernehmen und den Männern das Spannen zufällt. Obwohl auch die Männer ziemlich gewagt angezogen sind, nicht direkt ausgeflippt, aber doch hat jeder seinen eigenwilligen Stil. Wobei ich feststellen muss, dass dies auch noch altersabhängig zu sein scheint. Je älter, desto ausgeprägter ist ihr Stil.
Will der Regen denn gar nicht aufhören? Ich wäre auch gern so ausgelassen wie die jungen Franzosen am Nebentisch, aber mir fehlt eine Bezugsperson. So schwelge ich lieber in Gedanken und beobachte weiter. Paare gehen Arm in Arm vorbei und schauen sich verliebt an. Der Mann legt schützend seine Jacke über ihre Schultern.